Dr. Johann Ebner

Hinter eine aktiven Selbsthilfegruppe stehen engagierte Menschen. Wir von der Parkinson Selbsthilfegruppe Salzburg stellen uns hier auch als Menschen vor, mit unseren Anliegen und unseren Interessen.

Der Mediziner, Dr. Johann Ebner ist seit Anfang an sehr aktiv in der Selbsthilfe tätig.

Im Folgenden die Wiedergabe eine Interwiews mit salzburg24.

Etwa sieben Millionen Menschen weltweit leiden an Morbus Parkinson, in Salzburg gibt es Schätzungen zufolge gut 1.200 Betroffene. Einer von ihnen ist Johann Ebner. Der heute 61-Jährige lebt seit rund 16 Jahren mit der Diagnose. Anlässlich des Welt-Parkinson-Tages am 11. April gibt uns der frühere Mediziner im Sonntags-Talk einen Einblick in sein Leben mit der unheilbaren Krankheit.

Morbus Parkinson zählt – gemeinsam mit Demenzerkrankungen und Schlaganfall – zu den drei wichtigsten neurologischen Erkrankungen des höheren Alters. Vor über 200 Jahren hat der Brite Dr. James Parkinson erstmals unter der Bezeichnung Schüttellähmung (Paralysis agitans) jene Erkrankung beschrieben, die heute unter seinem Namen geläufig ist. Der Welt-Parkinson-Tag findet jährlich am 11. April, dem Geburtstag des Arztes, statt.

SALZBURG24: Lieber Herr Ebner, als Mediziner und Selbstbetroffener, wie würden Sie die Krankheit Parkinson einem Laien beschreiben?

JOHANN EBNER: Parkinson ist ein Chamäleon. Die Erkrankung kann so oder so ausschauen. Es gibt die Akinese-Rigor-betonte Form, also Bewegungsarmut und Muskelstarre. Das sind die Patienten, die einen zu einer Blickdiagnose verleiten. Sie trippeln ganz kurzschrittig daher und können plötzlich gar nicht mehr weiter. Ich hingegen habe die Tremor-betonte Form, bei mir überwiegt das Zittern. Dazu kommt noch eine Körperinstabilität, also Schwindel.

Im Groben geht es bei Parkinson um einen Dopaminmangel. Unsere Nervenzellen kommunizieren miteinander, um Reize weitergeben zu können. Dopamin fungiert hierbei als Überträgersubstanz. Man weiß, dass bei der Diagnose schon 60 bis 70 Prozent der Dopamin produzierenden Zellen in der Substantia nigra, einem Teil des Mittelhirns, zugrunde gegangen sind. Die Beschwerden an sich kommen erst nach Jahren, weil die Ausschüttung von Überträgersubstanzen noch lange Zeit im Gleichgewicht ist. Unser Nervensystem greift ja auch noch auf andere Transmitter zurück. Plötzlich merkt der Organismus dann, dass das Dopamin immer weiter abfällt. Die anderen Überträgersubstanzen werden aber weiterhin in gleichem Ausmaß produziert. Ein Überschuss an Acetylcholin verursacht zum Beispiel das Zittern.
Mit Medikamenten versucht man den Spiegel wieder herzustellen bzw. zu erhalten, aber die Symptome schreiten immer fort. Damit muss sich der Parkinsonist – so nenne ich Parkinson-Erkrankte, das ist mein Slang (lacht) – sein Leben lang auseinandersetzen. Die Krankheit ist nicht lebensverkürzend, aber eben auch nicht heilbar.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Bei Parkinson ist die Ursache nicht bekannt. Dadurch ist keine Therapie möglich, die den Grund, den Auslöser der Erkrankung bekämpft. Man kann reine Symptomlinderung betreiben, um die Lebensqualität zu erhalten – das geht sicher gut, vor allem in den ersten Jahren. Ob die Medikamente den Krankheitsverlauf auch verlangsamen, kann ich nicht sagen.
Am Anfang der Therapie spricht man oft von einer Honeymoon-Phase. Da geht es einem sehr gut, ist glücklich. Wenn die Diagnose gestellt wird, sieht man sich ja immer schon im Rollstuhl sitzen. Das ist unser Negativdenken, das ist einfach im Menschen so drinnen. Und der Beginn der Therapie zeigt einem dann, dass es am Anfang fast ohne Beschwerden dahin geht. Man muss halt seine Medikamente regelmäßig nehmen.

Welche Medikamente sind das? Und in welchem Umfang kann man sich das vorstellen?

Das ist schon eine größere Menge. Man beginnt natürlich mit einer niedrigeren Dosis, so niedrig es geht. Es gibt ca. 20 Parkinsonmedikamente, die uns zur Verfügung stehen. Es kommt aber darauf an, wie alt der Patient ist und wie es ihm geht. Danach entscheidet der Arzt, womit man beginnt.
Dabei geht es um eine kontinuierliche Versorgung. Beispielsweise das L-Dopa-Präparat muss anfangs spätestens alle viereinhalb Stunden eingenommen werden. Von dieser einen Substanz kommt man dann schon auf gut vier Tabletten pro Tag. Mit Fortschreiten der Erkrankung wird dieses Intervall immer kürzer. Ich bin derzeit bei etwa drei bis dreieinhalb Stunden. Diese Zeit kann man aber gar nicht übersehen, das merkt man sofort an körperlichen Symptomen, wenn es wieder so weit ist.

Weltweit gibt es an die sieben Millionen Menschen, die an Parkinson erkrankt sind. Wissen Sie, wie viele Betroffene in etwa in Salzburg leben?

Es gibt keine genauen Zahlen. Für ganz Österreich geht man von etwa 16.700 Menschen aus, mit der Dunkelziffer sind wir bei rund 20.000. Salzburg ist nicht ganz ein Zehntel von Österreich, weniger sogar, dann kann man sich das ausrechnen. Es werden demnach in Salzburg etwa 1.200 Betroffene sein.
An und für sich ist es eine Erkrankung des Alters. Die Spitze der Diagnosestellung liegt zwischen dem 60. und 65. Lebensjahr. Zehn Prozent der Betroffenen – dazu gehöre ich auch – bekommen die Diagnose aber schon vor dem 50. Lebensjahr. Auf uns junge Betroffene stürmt zu anfangs viel mehr ein als auf 60- bis 65-Jährige. Da geht es einerseits um Berufstätigkeit, vielleicht noch zu tilgende Schulden, aber auch die Kinder sind oft noch nicht erwachsen. Man muss damit rechnen, dass man nach der Diagnose innerhalb von vier bis sechs Jahren arbeitsunfähig wird.

Wenn ich fragen darf, wie ist es zur Ihrer Diagnose gekommen?

Bei mir war das nach zwei kurz aufeinanderfolgenden Narkosen, die mein System sozusagen zum Kippen gebracht haben. Ich sag das deswegen so, weil man weiß, wenn Parkinson aufgrund der motorischen Symptome, also Zittern, Steifigkeit und Bewegungsarmut, sich bemerkbar macht, hat man die Krankheit bereits bis zu zehn Jahren. Ich war damals 46 Jahre alt. Also kann man davon ausgehen, dass ich die Erkrankung bereits seit meinen späten Dreißigern habe.

Bei Ihnen sind die Symptome also plötzlich nach einer Narkose aufgetreten?

Genau. Es hat zwar im Nachhinein betrachtet vorher schon erste Anzeichen gegeben, aber das habe ich nicht bemerkt bzw. nicht richtig gedeutet. Die ersten Symptome sind ja eher unspezifisch, wie etwa ein gestörter Geruchssinn, Stimmungsschwankungen, Verstopfung oder unruhige Nächte. Aber diese Dinge kennt so gut wie jeder, obwohl er nicht Parkinson hat. Die Diagnosestellung ist daher oft nicht so einfach und kann schon mal mehrere Jahre dauern.

Wie ist es damals nach der Diagnose weitergegangen? Sie standen mit 46 Jahren noch mitten im Berufsleben.

Als ich die Diagnose bekam, war ich Oberarzt an der Augenklinik. Ich musste meinen Arbeitgeber sofort informieren. Die Konsequenz war natürlich, dass ich nicht mehr operieren durfte. Das wäre absolut unverantwortlich gewesen. Aber ich war die nächsten Jahre noch stationsführender Oberarzt. Fünf Jahre lang konnte ich als begünstigt Behinderter noch arbeiten.
Mit 51 Jahren in Frühpension zu gehen, war dann ein harter Weg. Während dieser Zeit war ich wahrscheinlich selbst mein strengster Richter. Ich wollte einfach kein Sozialschmarotzer sein. Aber ich hätte einfach nicht mehr arbeiten können, das weiß ich mittlerweile. Ich bin in den letzten Monaten meines Arbeitslebens jeden Tag nach Hause gekommen und sofort schlafen gegangen. Meine Kraft war erschöpft. Auch am Wochenende habe ich mindestens einen Tag komplett verschlafen.

Wie leben Sie heute mit der Krankheit?

Ich bin in der Parkinson Selbsthilfe ziemlich engagiert. Es macht Spaß und hat Sinn. Einer der wichtigsten Tipps ist: Denke nicht daran, was du nicht mehr kannst, sondern freu dich darüber, was du kannst, wofür du jetzt erst Zeit hast. Ich male heute wieder, habe meine Modelleisenbahn aktiviert und worüber ich sehr froh bin, das Radfahren geht noch. Früher bin ich gern gereist, war auch auf vielen Fortbildungen quer in der Welt unterwegs – das kann ich nicht mehr. Aber glücklicherweise habe ich kein Fernweh. Wie Helmut Qualtinger sagte: “Wos dua i denn duat?”

Man merkt schon: Sie haben trotz einer unheilbaren Krankheit Freude und Spaß am Leben.

Ja, genau das versuche ich auch in der Selbsthilfe zu vermitteln. Es besteht nämlich die Gefahr, dass man in seiner Entwicklung stecken bleibt. Akzeptanz ist sehr wichtig, aber dorthin ist es ein langer Weg. Das betrifft nicht nur unheilbar kranke Menschen. Sich selbst zu lieben und mit sich im Reinen zu sein, damit hat nahezu jeder zu kämpfen.
Eine chronische, nicht heilbare Erkrankung darf ich außerdem nicht als Gegner bzw. als Untermieter sehen. Einen Untermieter kann ich rausschmeißen oder delogieren lassen. Parkinson nicht. Wenn ich dagegen ankämpfe, kostet mich das immens viel Kraft. Diese brauche ich aber für ganz etwas anderes.

Wie lange hat es gedauert, bis Sie die Krankheit als Teil Ihres Lebens akzeptieren konnten?

Als mir gesagt wurde, Sie haben Parkinson, war das eine Watsch’n ins Gesicht. Man fühlt sich wie im Hamsterrad und plötzlich hält dir jemand die Faust hin. Und da tuscht man dann rein. Da fragt man sich: Wieso gerade ich, warum ausgerechnet jetzt? Warum ist mein Hirn betroffen? Man ist verzweifelt. Man macht verschiedene Phasen durch. In einer ist man so vermessen und dumm und fragt sich, wäre es dir nicht lieber, du hättest MS (Multiple Sklerose, Anm.)? Bis hin zum Annehmen und das Beste daraus machen, habe ich ein paar Jahre gebraucht. Ich bin auch nicht gleich zur Selbsthilfe gegangen. Mir war klar, wenn ich dort hin gehe, sehe ich Leute, die Parkinson schon zehn bis 15 Jahre haben. Da sehe ich meine Zukunft. Das wollte oder konnte ich mir lange nicht antun. Erst zwei Jahre nach der Diagnose war ich soweit.

Als früherer Mediziner verfolgen Sie die Parkinson-Forschung wohl besonders genau, oder?

Ich halte es für besonders wichtig, dass man zum Experten in eigener Sache wird, zum Parkinsonologen sozusagen. Schon allein damit ich weiß, was in meinem Körper los ist. Das Arzt-Patienten-Verhältnis wird dadurch auch ganz ein anderes. Ich nehme meine Medikamente in einem anderen Bewusstsein ein, weil ich weiß, was sie bewirken und mir auch im Klaren darüber bin, was passiert, wenn ich es nicht tue.
Je mehr man sich mit der Erkrankung beschäftigt, desto faszinierender wird das Ganze auch. Es verdichtet sich gerade zunehmend der Verdacht, dass der Darm bei Parkinson eine große Rolle spielt. Professor Werner Poewe von der Uniklinik Innsbruck, einer der bekanntesten Parkinson-Ärzte, hat zudem kürzlich in einem Interview damit aufhorchen lassen, dass Parkinson in zehn bis 15 Jahren heilbar sein werde. Da sind viele aus allen Wolken gefallen. Die haben geglaubt, sie profitieren sicher noch von neuesten Medikamenten. Das muss ganz klar sein, das dauert alles noch. Ich werde davon wahrscheinlich nichts mehr haben. Aber das ist ok für mich.

Parkinson ist in fortgeschrittener Form auch für das Umfeld zu erkennen. Haben Sie selbst schon einmal negative Erfahrungen gemacht?

Ja, das ist oft nicht leicht. Wenn man zittert, wird man gleich als Alkoholiker gesehen. Da gibt es diese eine Geschichte, da war eine Mutter mit ihrem Kind im Bus unterwegs. Als ein Parkinsonist einsteigt, fragt das Mädel: “Mama, was hat denn der Mann?” Sie antwortet: “Nichts, der hat nur heute seinen Cognac noch nicht getrunken.” Solche Situationen sind schon sehr verletzend. Manchmal wenn man im Öffi unterwegs ist, kann man auch Gleichgewichtstörungen bekommen, da wirkt man dann wie ein Betrunkener. Mich stigmatisiert zum Beispiel die nach vorn über gebeugte Haltung. Mein offener Umgang mit der Krankheit schützt mich wahrscheinlich zum Teil vor Vorverurteilungen. Was ein faszinierendes Feld ist, sind aber Kinder.

Inwiefern?

Kinder merken sofort, da ist etwas nicht in Ordnung mit dem. Auch wenn man noch so unauffällig dasitzt. Ein Kind spürt das. Und da ist meine Waffe ein Lächeln. Meistens kommt eines zurück und die Sache ist gegessen. Oder sie fragen einen direkt: “Was hast denn du?” Die stecken dich in keine Schublade.

Würden Sie sich das von Erwachsenen auch wünschen?

Es kann jeder auf mich zukommen und fragen. Ich bin mittlerweile in einem Stadium, dass man mir es schon deutlich anmerkt. In diesem Zusammenhang möchte ich eine Lanze für die Jugend brechen. Wenn ich in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs bin, wird mir immer sofort ein Platz angeboten.
Beim Busfahren gibt es auch ein paar Tipps für uns Parkinsonisten: Zum Beispiel beim Einsteigen die Kinderwagen-Taste zu drücken, dann bleibt die Tür gleich einmal länger offen und man muss nicht fürchten, eingezwickt zu werden. Der Parkinsonist hat das Privileg der Langsamkeit. Und das ist in unserer heutigen schnellen Welt wirklich ein Alleinstellungsmerkmal und etwas Besonderes.

Lieber Herr Ebner, vielen Dank für das Gespräch.