Über Selbsthilfegruppen

Wie alles begann

Die Selbsthilfe heutiger Form hat ihre Vorläufer in den Emanzipationsbewegungen des 19. Jahrhunderts, insbesondere der Frauen- und Jugendbewegung. Es wurden zahlreiche Vereine und Organisationen gegründet, die einen weitgehend freien Austausch von Gleichgesinnten ermöglichten und unter deren Deckmantel auch gesundheitsorientierte Selbsthilfe stattfand.

Erst nach den sozialen Umwälzungen der 1960ern war offene Selbsthilfe im heutigen Verständnis möglich. Sie setzt voraus, dass sich Menschen öffentlich zu ihrem Problem bekennen können, ohne gesellschaftliche oder strafrechtliche Sanktionen zu befürchten. So hatten etwa Homosexuelle bis 1968/69 strafrechtliche Verfolgung nach §175 zu befürchten. Suchterkrankungen wurden erstmals als Krankheiten und nicht nur als moralischer Mangel verstanden. Gleichzeitig entstand ein neuer Gesundheitsbegriff, der eine aktive, eigenverantwortliche Rolle des mündigen Patienten fördert. Es wird auf Eigeninitiative gesetzt.

Es war1988 in Salzburg die Patientengruppe mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) neben den Diabetikern, der Elterninitiative Kinder im Krankenhaus und der Aktivgruppe „Menschliches Krankenhaus“ eine der vier Gruppen, aus denen dann der Dachverband der Selbsthilfe Salzburg hervorging. Heute vertritt der Dachverband der Selbsthilfe Salzburg 150 Selbsthilfegruppen – sie sehen daraus, in den letzten 20 Jahren hat sich einiges getan.

Aus den z.T. lästigen Störefrieden von einst ist eine anerkannte Bewegung geworden und eine integrative Versorgung von chronisch oder psychisch Erkrankten ist ohne dem Angebot der Selbsthilfe heute nicht mehr vorstellbar – sie ist "State of the Art".

Welche Rolle spielt nun heute die Selbsthilfe und wie ist sie in die medizinische Versorgung eingebettet?

Was versteht man unter einer Selbsthilfegruppe?

Selbsthilfegruppen sind definiert als freiwillige Zusammenschlüsse von Menschen auf regionaler Ebene, deren Aktivitäten sich auf die gemeinsame Bewältigung von Krankheiten oder sozialen Belastungen richten, von denen sie entweder selbst oder als Angehöriger betroffen sind.

Die Selbsthilfegruppen-Mitglieder treffen sich regelmäßig ein- oder mehrmals im Monat.

Ziele der Selbsthilfegruppe

Neben der Information ist der Erfahrungsaustausch mit ebenfalls Betroffenen und Angehörigen ein weiterer wichtiger Punkt in der Selbsthilfe.

Es wird vermittelt: SIE SIND MIT IHREM SCHICKSAL NICHT ALLEINE !!

Die Selbsthilfe will Angst nehmen und Mut machen !

Weiters soll Spaß und Entspannung beim geselligen Zusammensein mit Betroffenen und Angehörigen im Vordergrund stehen. Neben den Gruppentreffen werden Ausflüge, gemeinsame Unternehmungen, Teilnahme an Gymnastikgruppen, Wandergruppen, Schwimmgruppen, Tanzgruppen, ... angeboten.

Es werden geistige und seelische Kräfte mobilisiert, um die richtige Einstellung zur Krankheit zu finden. Die Selbsthilfe will dem Betroffenen helfen, mit seiner Krankheit zu leben !

Große Bedeutung hat auch die Miteinbeziehung und Beratung von Angehörigen – der am wenigsten beachteten, aber mit der Erkrankung des Partners ebenfalls "betroffenen" Personengruppe.

 

Zusammenfassend:

  • Betroffener, Angehörige, betreuender Arzt (FA,PA), Therapeuten und das weitere soziale Umfeld sind als eine Einheit zu sehen.
  • Die Selbsthilfe arbeitet in diesem Umfeld mit und ermöglicht es dem Patienten und seinen Angehörigen sich, mit über die primäre Aufklärung hinausgehende Information und Erfahrungsaustausch, der Erkrankung zu stellen und mit ihr zu leben.
  • Es wird wertvolle, ergänzende Arbeit bei der psychosozialen Stabilisierung und Unterstützung der Betroffenen geleistet.

 

Was bedeutet die Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe für den betreuenden Arzt ?

Die ärztliche Betreuung wird durch die praktische und psychosoziale Unterstützung der SH ergänzt, die Arzt-Patienten-Beziehung verändert sich positiv.

Die Miteinbeziehung des Erfahrungswissens des Betroffenen erweitert die fachliche Kompetenz aller Beteiligten und unterstreicht Patientenorientiertheit und den ganzheitlichen Heilungsansatz bei der Versorgung der Patienten.
Es wird ein besseres Behandlungs- und Therapieverständnis beim Betroffenen erreicht, es verbessert sich die Compliance.

Die Miteinbeziehung der Angehörigen über die Selbsthilfe führt zu einer spürbaren Entlastung sowohl im niedergelassenen Bereich als auch des jeweiligen Krankenhauses oder der Spezialambulanz der Fachabteilung – einer Entlastung, die sich auch deutlich im wirtschaftlichen Bereich niederschlägt.

 

Arbeiten wir zusammen!

Die seit einigen Jahren in K, NÖ und Sbg laufenden Projekte "selbsthilfefreundliches KH" zeigen sehr schön, dass alle Seiten von einer Kooperation profitieren.
Vorbild ist ein Modellprojekt in Hamburg.

Qualitätskriterien Selbsthilfefreundliches Krankenhaus

  • Passive Information – Raum für Folder, Broschüren, Präsentationen, ...
  • Aktive Information der Pat. und Angeh.
  • Kooperationspartner, Selbsthilfebeauftragte
  • Regelmäßiger Informations- und Erfahrungsaustausch zw. KH und SHG/DV
  • Miteinbeziehung der SH in Fortbildung, Mitarbeit in Qualitätszirkeln, Ethik- Kommission
  • Kooperation formal beschlossen
  • "Diese Kooperation zwischen Krankenhaus und Selbsthilfegruppen hat für alle Beteiligten einen großen Nutzen. Patienten erfahren bereits während ihres Aufenthaltes im Krankenhaus von der einfachen Möglichkeit einer Kontaktaufnahme mit anderen Betroffenen. Das Erfahrungswissen der Selbsthilfegruppen erweitert das ärztliche und pflegerische Handeln in positiver Weise".